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100 Jahre GWellen 1916 - 2021


Im November 1915 hatte Albert Einstein seine neue Theorie der Gravitation vollendet. Mitte 1916 fand er weiter heraus, dass es in dieser neuen Theorie auch Wellen gibt, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Das muss so sein. Denn in jeder kausalen Theorie kann Information mit höchstens Lichtgeschwindigkeit ausgetauscht werden. Diese sogenannten Gravitationswellen entstehen immer dann, wenn eine quadrupolartige Massenverteilung schwingt.

GravitationsWellen nachgewiesen !!!


In den letzten 40 Jahren wurden die empfindlichsten Interferometer entwickelt, mit denen sich diese Erschütterungen der RaumZeit nachweisen lassen. Die heftigsten Signale entstehen beim Verschmelzen von zwei Schwarzen Löchern oder zwei Neutronensternen.

Gravitationswellen
Abb.: Das Signal von zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern im Universum. Kompakte Doppelsternsysteme strahlen Gravitationswellen ab und werden dadurch enger (Fachausdruck: Inspiral). Nach einigen 100 Millionen Jahren kommen sie sich so nahe, dass ihre Bahnperioden im Bereich von Millisekunden liegen und sie dann zu einem neuen rotierenden Schwarzen Loch verschmelzen (Fachausdruck: Merger). Ein solches kosmisches Inferno zeigt sich nur in Gravitationswellen und wurde zum ersten Mal am 14. Sept. 2015 von den beiden LIGO-Interferometern gleichzeitig detektiert. Dafür gab es 2017 den Nobelpreis in Physik.
[Grafik: Abbott & 1000 weitere Autoren, Phys. Rev. Letter vom 11. Febr. 2016]


Das Signal war so kräftig, dass die Wissenschaftler zunächst von einem Scherz ihrer Kollegen ausgingen. Für den Bruchteil einer Sekunde wurden die beiden LIGO-Interferometer am 14. September 2015 erschüttert.

Gravitationswellen
Abb.: Gravitationswellen von 6 Schwarz-Loch-Mergern im Jahre 2017 mit Chirp-Signal und GWellen-Form. Das Signal endet abrupt, wenn sich ein neues rotierendes Schwarzes Loch gebildet hat. Von diesem Ereignis wird kein elektromagnetisches Signal erzeugt.
[Grafik: LIGO/Virgo Collaboration]


Am Samstag, den 3. Dezember 2018, präsentierten Wissenschaftler*innen der LIGO Scientific Collaboration und Virgo Collaboration auf dem Gravitational Wave Physics and Astronomy Workshop (GWPAW) an der University of Maryland, in College Park, neue Ergebnisse ihrer Suche nach verschmelzenden kosmischen Objekten, wie Paaren schwarzer Löcher und Neutronensterne. Zusätzlich zu den bereits veröffentlichten sechs Verschmelzungen von schwarzen Löchern und einer Verschmelzung von zwei Neutronensternen entdeckten die Wissenschaftler vier weitere Verschmelzungen schwarzer Löcher in den Daten.

Die Massen der an den Verschmelzungen beteiligten schwarzen Löcher umfassen ein breites Spektrum, das von 7,6 bis 50,6 Sonnenmassen reicht. Das neue Ereignis GW170729 ist die massereichste und am weitesten entfernteste Gravitationswellenquelle, die man bisher beobachtet hat. In dieser Verschmelzung, die vor etwa 5 Milliarden Jahren stattfand, wurden fast fünf Sonnenmassen in Gravitationswellen umgewandelt.

LIGO- und Virgo-Observatorien


LIGO wird von der NSF finanziert und von Caltech und MIT betrieben, die LIGO konzipierten und die Initial- und Advanced-LIGO-Projekte leiteten. Finanzielle Unterstützung für das Advanced LIGO-Projekt wurde hauptsächlich von der NSF geleistet, wobei Deutschland (Max-Planck-Gesellschaft), Großbritannien (Science and Technology Facilities Council) und Australien (Australian Research Council-OzGrav) signifikante Verpflichtungen eingingen und Beiträge zum Projekt leisteten. Mehr als 1.200 Wissenschaftler aus der ganzen Welt sind durch die LIGO Scientific Collaboration, zu der auch die GEO Collaboration gehört, an der Unternehmung beteiligt.

Gravitationswellen
Tabelle: Die von LIGO/Virgo bis Ende 2018 entdeckten Gravitationswellen-Quellen - 10 Schwarz-Loch-Merger und ein NS-NS-Merger (NS = Neutronenstern).
[Tabelle: LIGO/Virgo Collaboration]


Die Virgo-Kollaboration besteht aus mehr als 300 Physiker*innen und Ingenieur*innen, aus 28 verschiedenen europäischen Forschungsgruppen: sechs vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Frankreich, elf vom Istituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN) in Italien, zwei in den Niederlanden bei Nikhef, das MTA Wigner RCP in Ungarn, die POLGRAW-Gruppe in Polen, Spanien mit IFAE und den Universitäten Valencia und Barcelona, zwei in Belgien mit den Universitäten Lüttich und Löwen, die Universität Jena in Deutschland und das European Gravitational Observatory (EGO), die Dacheinrichtung des Virgo-Detektors nahe Pisa in Italien, gefördert von CNRS, INFN und Nikhef.


Gibt es auch Nachbeben?


Inzwischen sind drei Ereignisse von Schwarz-Loch-Verschmelzungen aus den Daten des ersten Runs mit AdvLIGO herausgezogen worden - GW150914, GW151226 und LVT151012 (s. arXiv:1606.04856). Während das erste Ereignis ungewöhnlich hohe Massen aufwies, zeigen die beiden andern Ereignisse Massen im Bereich der bekannten stellaren Röntgensysteme mit stellaren Schwarzen Löcher. Inzwischen haben Theoretiker jedoch herausgefunden, dass sogar eine Art Nachbeben nach dem Verschmelzungsprozess auftreten könnte. Besitzt das Schwarze Loch eine Art "festen Horizont" (z.B. in Form einer Firewall) anstatt den klassischen "weichen Horizont", so könnten Schwingungen des Schwarzen Lochs im Innern reflektiert werden und ein Teil davon mit Verzögerung wieder emittiert werden - also eine Art Echo bilden. Dieses Echo würde nach einigen Sekunden mehrmals auftreten, allerdings mit einer wesentlich geringeren Amplitude. Die Empfindlichkeit der LIGO-Detektoren reicht bisher nicht aus, dieses Nachbeben aus dem Rauschen der Detektoren herauszufiltern. Sollte dies in Zukunft tatsächlich gelingen, so wäre dies ein Schlag gegen die Existenz der unsinnigen Singularitäten im Innern der Schwarzen Löcher.

Gravitation ist RaumZeit-Geometrie


Der Mensch ist ein vierdimensionales Wesen - er merkt es bloss nicht. Leider sind unsere Sinnesorgane nur auf drei Dimensionen eingestellt, wir können die Zeit nicht verarbeiten. Raum und Zeit sind die große Bühne, auf der sich unser Leben und alle irdischen und kosmischen Vorgänge abspielen. Meist erleben wir Raum und Zeit als unveränderlich und unbeeinflussbar.

Albert Einstein hat im November 1915 die Newtonsche Gravitation über Bord geworfen und eine absolut revolutionäre neue Vorstellung der Gravitation entwickelt - Gravitation ist keine Kraft, Gravitation ist Geometrie der RaumZeit.

1912 übernahm Albert Einstein das Konzept der RaumZeit von Hermann Minkowski und erkannte die Möglichkeit, damit die Gravitation zu erklären - Gravitation krümmt die RaumZeit - jede Form von Materie erzeugt Krümmung, die mathematisch durch den Krümmungstensor von Riemann beschrieben wird. Damit wird diese Metrik der RaumZeit orts- und zeitabhängig.

Einstein suchte jahrelang nach der Gleichung, welche die Krümmung der RaumZeit mit dem Materieinhalt verknüpft. Im November 1915 ist es ihm schließlich gelungen, diese Beziehung zu finden. Nicht der Krümmungstensor koppelt an die Materieverteilung, gegeben durch den Energie-Impuls-Tensor T, sondern der Ricci-Tensor und der Ricci-Skalar. Die Newtonsche Konstante G vermittelt die Kopplung zwischen Geometrie und Materie.

Einstein-Gleichungen

Die Einstein-Gleichungen können nicht streng bewiesen werden, sondern sind als Axiome zu verstehen; sie können jedoch eindeutig hergeleitet werden, wenn man von den folgenden Bedingungen ausgeht (Allgemeine Relativitätstheorie):
1) Die Gleichungen müssen kovariant sein (= tensoriell).
2) Die RaumZeit besitzt außer der Metrik keine weitere geometrische Struktur.
3) Die Feldgleichungen resultieren aus dem Krümmungstensor der RaumZeit (das entspricht dem heutigen Ansatz einer Eichtheorie).
4) Im nichtrelativistischen Grenzfall, also bei schwachen Feldern und kleinen Geschwindigkeiten, muss die Theorie in die Newtonsche Gravitationstheorie übergehen.

Die Einstein'schen Feldgleichungen sind trotz ihrer einfachen Form ein kompliziertes System von nichtlinearen verketteten Differentialgleichungen. Ihre exakte Lösung ist deshalb nur in sehr wenigen Spezialfällen mit stark idealisierenden Annahmen möglich. Trotzdem lassen sich aus den wenigen Lösungen sehr interessante Erkenntnisse über die Struktur von Raum und Zeit gewinnen. Die Feldgleichungen sind so kompliziert, dass eine allgemeine analytische Lösung praktisch unmöglich ist. Da die ART jedoch eine geometrische Theorie ist, kann man Lösungen der Feldgleichungen für bestimmte Spezialfälle oft durch geometrische Überlegungen erhalten. Dies sind meist Symmetriebetrachtungen, wie etwa im Schwarzschild-Fall.

GWellen sind Gezeitenwellen


Gravitationswellen (GWellen) sind Gezeitenwellen des Raumes, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie erzeugen eine zeitliche Komponente R0i0k (i,k=1,2,3) des Riemann-Tensors, der die Gezeitenkräfte in der ART beschreibt. Da der Riemann-Tensor eichinvariant ist, können diese Wellen nicht weggeeicht werden, wie das viele Skeptiker gerne haben möchten - GWellen sind Realität!

GWellen
Abb.: Ein Doppelsternsystem emittiert Gravitations-wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit im Universum ausbreiten. Die Frequenz der Welle ist das Doppelte der Umlaufsfrequenz des Doppelsternsystems.

Das Universum ist eine 4D Fläche


Seit mehreren Jahrzehnten geht quer durch die Physik ein tiefer Graben. Er scheidet zwei Welten: Mikrokosmos und Makrokosmos - die Welt der subatomaren Vorgänge und die des kosmischen Geschehens. Getrennt sind diese Welten für den Physiker deshalb, weil er sie nur mit zwei grundverschiedenen Theorien beschreiben kann: mit der Quantenfeldtheorie auf der einen Seite, deren Aussagen lediglich in den Grössenordnungen der Teilchenphysik sinnvoll sind, und mit der Allgemeinen Relativitätstheorie auf der andern Seite, deren Gesetze den Makrokosmos beherrschen.

Das Universum Abb.: Das Universum ist eine vierdimensionale RaumZeit, hier als 2-Fläche dargestellt (blau), Zeit läuft vertikal. Jeder Punkt repräsentiert eine 2-Sphäre, die Raumschnitte t = const sind insgesamt 3-Sphären. [Grafik: Camenzind]

An Versuchen, eine allumfassende Einheitstheorie zu schaffen, hat es nicht gefehlt. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass sich alle Physiker unserer Zeit um einen solchen Brückenschlag bemüht haben. Einstein hat seiner Einheitlichen Feldtheorie in den letzten Jahrzehnten seines Lebens nahezu seine ganze Arbeitskraft gewidmet, ist aber an dieser Aufgabe gescheitert. Auch moderne Versuche, wie sie bekannte theoretische Physiker mit der Stringtheorie in dieser Richtung unternehmen, dürften scheitern.